KIRGISTAN Zu Pferd zum Supermarkt

Wir sind jetzt in Zentralasien. Nach all dem Trubel in Südostasien werden wir in Kirgistan erfahren wie es sich anfühlt als Camper in die pure unberührte Natur einzutauchen und den Begriff der Freiheit auf vier Rädern auszuweiten. Man denkt als Langzeitreisender kann einen nicht mehr soviel überraschen, doch hier kracht es ordentlich in der Überraschungstüte. Viel Spaß beim lesen.

Richtung Osh

Wir sitzen in einem Taxi auf dem Weg nach Osh, der nächsten Stadt. Benommenheit durchdringt den Geist, die China-Odyssee und die Panne unseres Wohnmobils machen Sorgen. 

An uns rauschen die unfassbaren, moosig begrünten und weitläufigen Hügelriesen vorbei. Sie sind Balsam für unsere Seele.

Auf der linken Spur sehen wir unseren hochgehievten Bus auf einem viel zu kleinen Abschleppwagen vorbei fahren. Er war der Einzige den man auftreiben konnten. In Osh werden wir uns wiedersehen, das heisst in 250 Kilometern.  

Eine kirgisische Werkstatt mit Lernfaktor

Tags darauf streicht Klarheit durch unsere Köpfe als wir in der Werkstatt von Evgeny und Wladimir ankommen und alles mit ihnen besprechen. Sobald alle Ersatzteile aus Deutschland eintreffen werden sie unseren Bus in Gang bringen. Soweit so gut.

 

Die beiden gestandenen Männer, die unter den Reisenden bekannt sind, da sie nicht selten Overlanderautos wieder in Schuss bringen, zählen zu der Minderheit der russischen Kirgisen wie sie beiläufig erwähnen.

Uns stellt sich die Frage wie kann man russischer Kirgise sein? Entweder man ist Kirgise oder Russe!

Sie erklären so einfach wäre das nicht, viele Bewohner der ehemals sowjetischen Länder haben eine Staatsangehörigkeit und eine ethnische Zugehörigkeit in ihrem Pass. Diese wird nach dem Vater bestimmt und schreibt großes Gewicht. Ich bin immer wieder beeindruckt wieviel Informationen und Wissenswertes einem beim Reisen zufliegt.

Nach Einbau aller neuen Teile und erfolgreicher Testfahrt verbringen wir mit der lustigen Mechanikercrew einen letzten aussergewöhnlichen Abend in einem gehobenen chinesischen Restaurant. In einem Privatraum wird in ausgelassener Stimmung gelacht, gegessen und ungebändigt getrunken. Das ist Kirgistan mit Russen.

Lebendiges Osh und seine Leckereien

Osh ist eine gemütliche Stadt in der wir, auf Grund der Camperpanne, einige Zeit verbringen und sich erste Bilder des Landes zeichnen. Alteingesessene Schaschlik-Restaurants neben einer kleinen Auswahl an hippen Cafes, wie sie in Berlin stehen könnten, säumen die Strassen.

Zentraler Treffpunkt für jung und alt ist der bunte, lebhafte Markt, der sich gefühlt durch die halbe Stadt schlängelt. 

Omas in eng gewickelten, blumigen Kopftüchern und goldenen Frontzähnen bieten in farbigen Plastikkübeln frische, rote Beeren an. Meterlange aufgerollte Bohnen, saftige Äpfel und eingemachte Zaubereien aus ihren Küchen, füllen ihre Verkaufstische. Nebenan trinkt man die frische vergorene Stutenmilch der Milchfrau und kaut auf typisch kleine Hartkäsebällchen. Mittig gestempeltes Fladenbrot namens Lepjoschka türmen sich an jeder Ecke um die Wette. So geht es Stand für Stand weiter, von Nahrungsmitteln, über Kleidung bis hin zu Werkzeug. Man findet was das Herz begehrt und der Magen braucht. Der Markt ist das pochende Herz jeder Stadt.

Ein Sommer am Issykul See

Auf dem Weg zum Issykul, dem zweitgrößten Gebirgssee der Welt, fahren wir den türkis schimmernden Toktogul See entlang. Die Weite die einen erreicht lässt meinen man wäre als einzigster Mensch unterwegs und die Pracht der Farben ist ein Schauspiel fürs Auge. 

Führen uns steinige und besonders staubreiche Pisten Richtung Issykul. Unsere Haare grau wie die einer Oma, dreckig von Kopf bis Fuß. In jeder Sitzritze, auf jeder Ablagefläche unseres Wohnmobils legt sich der helle Erdpuder Kirgisiens nieder.  Er versteckt sich bis tief in die Kopfkissen und wenn wir abends ins Bett fallen wirbelt er seinen letzten Tanz und mattieren die Gesichter.

Doch als wir den See erreichen mit seinem gewaltigen Bergpanorama schlagen unsere Herzen höher und der Anblick lässt die ratternde Fahrt vergessen. Wir sind verzückt von dem Gefühl angekommen zu sein und mit dem starken Drang bleiben zu wollen. 

Frei von weiteren Plänen verbringen wir den Sommer bis in den Herbst hinein an und um diesem See herum. 

Dieser Fleck Erde hat eine besondere Anziehungskraft. 

Das große Wasser umrahmt vom schneebedeckten Tian Shan Gebirge, welches von Wandersleuten und Wintersportenthusiasten als non plus ultra gelobt wird vereint den Sommer zu Füssen des Sees und Winter auf den Gipfeln in einem Blick. 

Nebenher ziehen die eleganten und teils freien Pferde ihre Runden und die struppigen und wolligen Doppelposchafe wackeln langsam an uns vorbei. Hier und da zieht ein Schäfer, mit seinem traditionellen Kalpak, einen hohen schwarz-weißen Filzhut, gemächlich seine Runden.

In unserer rollenden Datscha, erleben wir hier eine Freiheit die sich uns neu entfaltet. Eine natürliche Weite die gewaltige Gefühle auslöst, eine Natur in der nicht der Mensch das sagen hat, sondern die Natur selbst. 

Die Nomad Games

Zufällig finden dieses Jahr die berühmten Nomad Games nahe dem See in Cholpon Ata statt. Man beschreibt sie als aktionsreiche, kraftvolle und impulsive Olympische Spiele der Nomadenvölker. 

Im Kurash, das zentral asiatische Wrestling, ringen Schwergewichtler um Siege. Junge dynamische Männer reiten sattellos, verschmolzen mit ihrem Pferd, um die Wette der Schnelligkeit. 

Der Höhepunkt ist Kok Boru welches alle Besucher zum staunen bringt. Mit einem geköpften Schaf spielen zwei Teams eine Art Polo. Will der schwere Schafskörper vom Reiter händisch in das gegnerische Tor geschmissen werden. Welch ein Kraftakt und welche Ausdauer den Reitern hier abverlangt wird, beeindruckt. Euphorie füllt das Stadion, stolz schwenkt das Volk ihre roten Fahnen mit dem gelben Tündük, das ist der obere Teil der Jurte, um final als Gewinner gegen Kasachstan zu glänzen. Die Kirgisen sind ein echtes Reitervolk und das beweisen sie hier bravurös.  

Von der Wiege werden sie direkt auf das Pferd geschmissen und wachsen mit ihm auf. So ist es keine Seltenheiten das Kinder zur Schule reiten oder vor dem Supermarkt Pferde statt Autos parken. 

Wenn der Winter in Kirgistan kommt

Die Temperaturen sinken langsam gegen Minus, so ziehen wir im nomadischen Sinn weiter, immer den Sonnenstrahlen hinterher. 

Wir sammeln die letzenden gefallenen herzförmigen Walnüsse und backen damit frisches Brot. 

Am nächsten Tag, man glaubt es kaum, fallen lautlos große, dicke Flocken und rollen den weißen Teppich des Winters aus. Eine Wunderwelt breitet sich aus und Luk stapft glücklich in den Schnee hinaus. 

Kleines Kirgistan, du hast dir in unser aller Herzen einen großen Platz erriten und im Sommer kommen wir wieder, versprochen!

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LEA und PAUL