IRAN Salam Alaikum

Salam Alaikum, der Friede sei mit Euch, schallt es uns an der Grenze entgegen. Eine freundliche Atmosphäre empfängt uns und ein lachender Herr füllt Luks kleine Hände mit Nüssen und Schokoladenbonbons.

Wen man so trifft

Den folgenden Monat werden wir viele Iranerinnen und Iraner antreffen, deren größtes Anliegen es ist, uns zu umsorgen und ein perfektes Bild des Landes zu hinterlassen. 

Literweise fließt starker Tee in geblümte Tässchen, Luks Hände füllen sich täglich mit Süßem, Früchten und Spielzeug, Einladungen zum Essen und Übernachten werden euphorisch ausgeschüttet und der Schutz Gottes ist zweifelsohne immer an unserer Seite.

Die durchweg positive, überschwängliche Kontaktaufnahme überrennt uns beinahe und verdünnisiert teilweise die Luft zum Atmen. Wer die Autonomie und das Alleinseins schätzt, steht hier auf verlorenem Posten. 

So teilt sich die Freude über das Land in unserer Familie in zwei Lager. Während der männliche Part unaufhaltsame Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft geniesst, werde ich immer müder von der einengenden Güte und den Regeln des Bekleidungsdiktates. Ein magerer Boden für Orte des Rückzugs. 

Vor allem unser rollendes Haus stellt sich als absoluter Magnet der Kommunikation heraus. Verständlich für ein Land, dass schon fast versinkt in Reglementierung, da sind wir mit unserem Bus der Strohhalm der Freiheit.

Die Wüste Irans

Mit Freunden fahren wir in die Wüste, weit ab des geschäftigen urbanen Lebens. uns erwarten fließend definierte Golddünen aller Größen. Die Füße stecken wir in den sonnengetauchten, zarten Sand. Wir hüpfen die Hänge rauf und runter, sitzen auf Mutter Erde, während die Perlen durch die Finger rieseln. 

Abends, wenn die Teller voll leckerer Shakshouka gefüllt sind, ein Gericht der israelischen Küche, umkreisen wir in entspannter Stimmung das wärmende Lagerfeuer. 

Kommt aus der Dunkelheit ein Auto angefahren. Ein junges Paar bewegt sich zum Licht, ist neugierig woher wir kommen und fragt im Folgenden nach unseren Alkoholvorräten. 

Aufgrund des strikten, landesübergreifenden Verbots sind wir nicht im Besitz von Alkohol, geben wir als ehrliche Antwort. Der Mann schmunzelt, geht zum Auto und bringt eine große Flasche selbstgebrannten Feigenschnaps. Die Beiden verabschieden sich und wünschen uns eine schöne Zeit. Mittrinken wollen sie nicht.

Unseren Wüstenausflug beenden wir mit einem Spaziergang im Sonnenschein, zum anliegenden Salzsee. Luk füllt eine große Tüte mit grobem Salz, das von jetzt an in unser Nudelwasser plumpst. 


Ein Sturm zieht auf und die klar definierten Sanddünen lösen sich in abertausende Teilchen auf. Der fliegende Schleier peitscht uns ins Gesicht. Die Augen brennen.

Persepolis

Sichtlos ziehen wir weiter nach Persepolis, die Stadt der Perser. 

Ein nachhaltig eindrucksvoller historischer Ort, welcher letztendlich Alexander dem Großen in die Hände gefallen ist.

Durch den erfolgreichen Wiederaufbau einzelner Stellen lässt sich der Pomp und die Ingenieurskunst von vor über 2500 Jahren bildlich erahnen.

Autopannenbescherung in Shiraz

Kurz vor Shiraz schreit unser Auto in den höchsten Tönen und wir schaffen es gerade noch zur Autowerkstatt von Herrn Reeza. Der hochgewachsene, charismatische Herr mit eindrucksvollen blassblauen Augen rauft sich seine wilde Mähne. Um ein Haar wäre der Zahnriemen gerissen, das wäre das Ende für euch, ruft er. 

 

Bis der bestellte Riemen aus Dubai kommt, stehen wir bewegungslos vor seiner Werkstatt neben seinem Privathaus. Nun übernimmt Frau Reeza das Zepter.

Mittagessen folgt dem Frühstück, Abendessen folgt dem Mittagessen, dazwischen gibt es Tee, Kandis und Kekse. 

Ihr Huaspapagei plappert was ihm in den Sinn kommt und Frau Reeza zaubert aus ihrem Ärmel stets kleine Präsente für Luk. 

Von der ersten Minute an, hat sie ihn und uns ins Herz geschlossen, doch wir spüren, dieses Bewirtungsding zählt nicht zu ihren Lieblingsaufgaben.

Mehrere Male versuchen wir ihr klarzumachen, dass dieser Aufwand gar nicht von Nöten ist. Geflissentlich ignoriert sie das, den die iranische Kultur spricht einer andere Sprache.

Verzwickter wird die Lage, als sich die Familie des zweiten Mechanikers einschaltet und ebenso das Zepter übernehmen möchte. Wir stehen zwischen den Stühlen. Doppelt Frühstück, doppelte Einladungen, doppelt Sightseeing – aber nur einmal wir. 

Es ist kompliziert, möchte man niemand vor den Kopf stoßen.

Endlich sitzt der neue Zahnriemen und mit ihm die Hummeln im Po. Zum Abschied beschenkt man uns mit prall gefüllten Tüten delikater Süßwaren, Gewürzen, Tee, Zigaretten und hausgemachtem Wein. 

Frau Reeza winkt, weint und berührt unser Herz.

Freiheit spüren

Wir ziehen weiter Richtung Süden, freie Sicht soweit das Auge reicht, steppenartige Hügellandschaft bis zum Horizont. Vergeblich sucht das Auge nach einem Haus, mehreren Häusern oder gar einer Stadt. 

Es fängt nur greifbare Weite und Natur ein.

Bedeutet das Freiheit?

Zu diesem Zeitpunkt staunen wir über solche Bilder, wissen aber noch garnicht wie uns diese Eindrücke nachhaltig verändern werden.

Nach unserer Reise von fast vier Jahren werden wir wissen, dass diese Weite eines der größten Geschenke für uns ist und was sie bedeutet wenn man sich in der Enge eines städtischen Alltags bewegt.

Insel Queshm

Kurz bevor es nach Pakistan geht, verwöhnen wir uns mit entspannten Tagen auf Queshm, der vorgelagerten Insel des Landes im Süden, auf die die Bewohner so stolz sind. Langgezogen wie ein Kaugummi, lagert die Isola vor Bandar Abbas. 

Auf der Suche nach einer Waschmöglichkeit unserer Wäsche treffen wir auf ein wahnsinnig angenehmes deutsch-iranisches Paar, das ein Restaurant und Hotel am Strand führt. 

Wir begleiten Ali bei seinen Erledigungen und kommen so in den Genuss des besten Kebaps der Insel. 

Durch Annelie erfahren wir mehr über die Kultur auf der Insel und wie es sich als deutsche Frau im Iran lebt.

Weihnachten unkonventionell sensationell

Die Tage um den 24. Dezember verbringen wir mit zwei lieb gewonnenen Familien, auch Reisende mit Fahrzeug. Wir öffnen unsere Türen direkt am Strand und rollen die Teppiche aus. Sonne, Sand und Meer, alles für uns alleine. Die Kinder spielen auf freiem Feld, wir Mamas und Papas sind entspannt, keine Hektik, einfach nur sein. 

Der Weihnachtstag beschert uns mit dem Besuch einer vorbeiziehenden Kamelherde, Yoga in Seelenruhe, ein geschenkter Thunfisch vom Fischmarkt und ein Christkind, das für die Kinder in den Iran gekommen ist. 
Abends sitzen wir barfüssig und kopftuchfrei an unserer Strandtafel, die Lichter brennen, der Fisch köchelt über dem Lagerfeuer und die Gläser sind mit Wein gefüllt.

Formlos feierlich und herrlich harmonisch ist es ein einmaliger Weihnachtsabend.

Nachts, wenn alles im Bett ruht, wirbelt das fluoreszierende Plankton um unsere Körper und wir freuen uns wie die Kinder über die Bescherung.

Was für ein kostbarer Abend.

Versöhnt und voller neuer Erfahrungen ziehen wir weiter Richtung Pakistan. Doch der nächste Iranurlaub wird eindeutig ein Männerurlaub ohne mich.

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LIEBE GRÜSSE AUS DER FERNE

LEA und PAUL